Der Widerrufsjoker bei Autokrediten
Verbraucher, die einen Autokredit abgeschlossen haben sind in nahezu allen Fällen fehlerhaft über ihr Widerrufsrecht belehrt worden. In fast allen Widerrufsinformationen wird nämlich bezüglich der die 14-tägige Widerrufsfrist in Gang setzenden Pflichtangaben auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen. Diese sog. Kaskadenverweisung ist gemäß Urteil des EuGH vom 26.03.2020 (Az. C-66/19) unzulässig. Der EuGH begründet seine Auffassung damit, dass in der gesetzlichen Regelung § 492 Abs. 2 BGB die erforderlichen Pflichtangaben gar nicht aufgeführt sind. Vielmehr verweist § 492 Abs. 2 BGB auf Art. 247 §§ 6-13 EGBGB. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB verweist wiederum auf verschiedene andere gesetzliche Vorschriften. Durch diesen „Kaskadenverweis“ kann der Verbraucher nach Auffassung des EuGH nicht überprüfen, ob die Widerrufsfrist für ihn zu laufen begonnen hat.
Dies führt jedoch anders als vielfach behauptet nicht zwangsläufig dazu, dass der Verbraucher den sog. Widerrufsjoker ziehen kann, also den Autokreditvertrag nach Ablauf der vermeintlichen Widerrufsfrist noch widerrufen kann. Vielmehr kommt es in den meisten Fällen allein darauf an, ob sich die Autobank auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 §§ 6 Abs. 2 Satz 3, 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB berufen kann. Dies ist dann möglich, wenn sich die Autobank nicht streng an die vom Gesetzgeber erlassenen Muster-Widerrufsinformation gemäß Anlage 7 zu Art. 247 §§ 6 Abs. 2, 12 Abs. 1 EGBGB gehalten hat.
Entspricht die Widerrufsinformationen hingegen nicht genau dem gesetzlichen Muster oder hat sich die Autobank hinsichtlich der Hinweise zu den Folgen eines Widerrufs nicht an die Gestaltungshinweise des Gesetzgebers gehalten, kann sich die Autobank nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. In dem Fall steht dem Verbraucher vorbehaltlich einer etwaigen Verwirkung tatsächlich ein ewiges Widerrufsrecht zu. Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht wirksam aus, ist neben dem Darlehensvertrag auch der mit dem Darlehensvertrag verbundene Autokaufvertrag rückabzuwickeln. Das bedeutet, dass der Verbraucher das Fahrzeug zurückgibt und die Tilgungsraten sowie eine etwaige Anzahlung zurückerhält. Darüber hinaus ist er selbstverständlich auch nicht verpflichtet, weitere Darlehensraten zu zahlen, insbesondere muss er keine Schlussrate zahlen.
Der Verbraucher hat jedoch nach Auffassung der meisten Gerichte eine Nutzungsentschädigung an die Autobank zu zahlen. Die Höhe der Nutzungsentschädigung richtet sich nach den gefahrenen Kilometern und liegt daher in den allermeisten Fällen deutlich unterhalb des tatsächlichen Wertverlusts.
Warum funktioniert ein Autokredit-Widerruf überhaupt?
Bei vielen Autokredit-Verträgen sowie bei bestimmten Arten von Leasingverträgen steht Verbrauchern ein Widerrufsrecht zu, welches in der Regel 14 Tage beträgt. Allerdings beginnt die Widerrufsfrist erst dann zu laufen, wenn der Verbraucher in ordnungsgemäßer Form und inhaltlich korrekt über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist – eine Aufgabe, die den Autobanken meist nicht gelungen ist, zumal es bei verbundenen Geschäften (Autokredit wird vom Autohaus vermittelt) noch weitere „Klippen“ gibt, die zu beachten sind.
Für Sie als Verbraucher hat dies zur Folge, dass Sie in den Genuss eines „ewigen Widerrufsrechts“ kommen und auch noch Jahre nach dem Abschluss des Kreditvertrages Ihren Autokredit gegen Rückgabe des Fahrzeuges widerrufen können.
Urteile zum Autokredit-Widerruf
Nachdem der Bundesgerichtshof in seinen beiden Urteilen vom 05.11.2019 noch zugunsten der Autobanken entschieden hatte, hat nun das höchste Europäische Gericht, der EuGH, in einem bahnbrechenden Urteil die Rechte der Verbraucher gestärkt. In seinem Urteil vom 26.03.2020 (Aktenzeichen C–66/19) hat der EuGH nämlich entschieden, dass eine regelmäßig von den Banken verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, weil sie nicht hinreichend deutlich ist. Rechtsmittel gegen das EuGH-Urteil sind nicht gegeben.
Gemäß dem EuGH müssen Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben. Diese Voraussetzung war in der vom EuGH geprüften Widerrufsinformation nicht erfüllt.
Die vom EuGH beanstandete Widerrufsbelehrung lautet wie folgt:
„Widerrufsrecht
Der Darlehnsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E‑Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. …“
Maßgeblich ist, dass in der gesetzlichen Regelung § 492 Abs. 2 BGB, auf welcher in der Widerrufsinformation verwiesen wird, die die Widerrufsfrist in Gang setzenden Pflichtangaben nicht aufgeführt sind. Vielmehr verweist § 492 Abs. 2 BGB auf Art. 247 §§ 6-13 EGBGB. In Art. 247 §§ 6-13 EGBGB wird wiederum auf verschiedene andere gesetzliche Vorschriften verwiesen. Durch einen solchen „Kaskadenverweis“ kann der Verbraucher nach zutreffender Auffassung des EuGH nicht überprüfen, „ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat“.
Dem EuGH-Urteil vom 26.03.2020 liegt ein Rechtsstreit vor dem LG Saarbrücken über einen vom Verbraucher widerrufenen Darlehensvertrag zugrunde. Der Verbraucher hatte nach vermeintlichem Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist den Widerruf seiner Vertragserklärung erklärt. Die beklagte Bank, die Kreissparkasse Saarlouis, vertrat die Auffassung, dass sie den Verbraucher ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hatte und die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits abgelaufen gewesen sei. Das LG Saarbrücken stellte sich die Frage, ob der Verbraucher korrekt über die Frist, während der er sein Widerrufsrecht ausüben kann, informiert worden ist und legte die Frage dem EuGH vor.
Aber auch bereits vor dem bahnbrechenden EuGH-Urteil vom 26.03.2020 haben zahlreiche Gerichte den Autokredit-Widerrufs-Joker bestätigt und so dem Autofahrer einen Widerruf seines Autokredites auch noch Jahre nach dem eigentlichen Ablauf der Widerrufsfrist ermöglicht.
Hier eine Auswahl:
- Landgericht Arnsberg (Urteil vom 17.11.2017, Az. 2 O 45/17)
- Landgericht Berlin (Urteil vom 05.12.2017, Az. 4 O 150/16)
- Landgericht Paderborn (Urteil vom 05.07.2018, Az. 4 O 72/18; Urteil vom 16.07.2018, Az. 3 O 408/17)
- Landgericht Limburg (Urteil vom 13.07.2018, Az. 2 O 317/17)
- Landgericht Ellwangen (Jagst) (Urteil vom 25.01.2018, Az. 4 O 232/17)
- Landgericht München I (Urteil vom 09.02.2018, Az. 29 O 14138/17)
- Landgericht Ravensburg (Urteil vom 07.08.2018, Az. 2 O 259/17)
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Welche Nutzungsentschädigung kommt auf mich zu beim Widerruf?
Wenn Sie Ihren Autokreditvertrag oder Leasingvertrag widerrufen, hängt es vom Datum des Abschlusses des Vertrages ab:
Vertragsschluss
vor dem 13.06.2014
Nutzungsentschädigung darf abgezogen werden
Haben Sie den Vertrag vor dem 13.06.2014 geschlossen, so hat die Autobank einen Anspruch auf Nutzungsentschlädigung, der von der Anzahl der gefahrenen Kilometer abhängt.
Gleichwohl kann auch hier ein Widerruf lukrativ sein – denn häufig ist die zu zahlende Nutzungsentschädigung deutlich geringer als der eingetretene Wertverlust Ihres Autos!
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Vertragsschluss
ab dem 13.06.2014
Ob Nutzungsentschädigung abgezogen wird, ist umstritten!
Gut vertretbar ist, dass bei Vertragsschluss nach dem 13.06.2014 keine Nutzungsentschädigung vom Verbraucher zu zahlen ist. So sieht es etwa das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Anerkenntnis-Urteil vom 26.06.2020, Az. 24 U 305/19).
Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, bedeutet dies, dass Verbraucher, die ihr Widerrufsrecht wirksam ausgeübt haben, das Fahrzeug – abgesehen von den Verbrauchskosten – praktisch kostenlos gefahren haben.
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