Wird in einem Verbraucherkreditvertrag lediglich die gesetzliche Höchstgrenze für die Vorfälligkeitsentschädigung beschrieben, ohne dass darüber hinaus Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gemacht werden, wird die 14-tägige Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt. Der Verbraucher kann folglich sein Widerrufsrecht noch ausüben. Dies hat das OLG Brandenburg in seinen beiden Urteilen vom 13.11.2019 (Az. 4 U 7/19 und 4 U 8/19) entschieden.
Sofern der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, sind sowohl der Darlehensvertrag als auch der Autokaufvertrag rückabzuwickeln. Der Verbraucher muss also das Fahrzeug an den Verkäufer zurückgeben. Dafür erhält er die von ihm geleisteten Tilgungsraten sowie eine etwaige Anzahlung von der Autobank zurück. Darüber hinaus ist der Verbraucher selbstverständlich nicht verpflichtet, weitere Darlehensraten an die Autobank zu zahlen. Insbesondere muss er keine etwaig vereinbarte Schlussrate zahlen.
Die beiden Urteile OLG Brandenburg vom 13.11.2019 stehen nicht im Widerspruch zu den beiden Entscheidungen des BGH vom 5.11.2019. Der BGH hatte entschieden, dass die von ihm vorgelegenen Widerrufsinformationen der Ford Bank und der BMW Bank ordnungsgemäß sind und die erforderlichen Pflichtangaben von den Banken beanstandungsfrei erteilt wurden.
Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB schreibt vor, dass Verbraucherdarlehensverträge die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung enthalten müssen, sofern der Darlehensgeber beabsichtigt, eine solche Vorfälligkeitsentschädigung im Falle der vorzeitigen Darlehensrückzahlung geltend zu machen. In den vom OLG Brandenburg entschiedenen Fällen wurde im Darlehensvertrag wie folgt auf die Höhe der einer etwaigen Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen:
„Im Falle der vorzeitigen Rückzahlung kann der Darlehensgeber eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Die Vorfälligkeitsentschädigung beträgt 1 Prozent beziehungsweise, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung geringer als ein Jahr ist, 0,5 Prozent des zurückgezahlten Betrages. Ist die so ermittelte Vorfälligkeitsentschädigung höher als die Summe der noch ausstehenden Zinsen, wird diese Summe als Vorfälligkeitsentschädigung berechnet.“
Durch die vorstehende Regelung haben die Parteien die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung nicht wirksam vereinbart, urteilte das OLG Brandenburg – denn eine solche Vereinbarung verstieße gegen § 309 Nr. 5 BGB. Dem Darlehensnehmer wird nämlich gemäß der Regelung im Darlehensvertrag nicht gestattet, nachzuweisen, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden ist oder wesentlich niedriger als die Pauschale ist.
Darüber hinaus gibt die Regelung auch nicht die Berechnungsmethode im Sinne von Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 BGB wieder. Dies gilt auch nach den vom BGH in seinen Urteilen vom 5.11.2019 gesetzten (großzügigen) Maßstäben. Der BGH hat es ausreichen lassen, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (BGH, Urteil vom 05.11.2019, XI ZR 56/18). In den vom OLG Brandenburg untersuchten Darlehensbedingungen der Mercedes-Benz Bank wird jedoch lediglich die in § 502 Abs. 3 BGB bestimmte Höchstgrenze für die Vorfälligkeitsentschädigung beschrieben. Dies genüge nicht den Anforderungen von Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 BGB, so das Oberlandesgericht.
Folge der nicht hinreichenden Angabe zur Höhe der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung ist das Nichtanlaufen der Widerrufsfrist. Zurecht hat das OLG Brandenburg der Gegenansicht eine Absage erteilt. Vielfach wurde vertreten, die unzureichende Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung sei bereits hinreichend mit dem in § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB bestimmten Ausschluss dieses Anspruchs sanktioniert. Einer weiteren Sanktion durch Nichtanlaufen der Widerrufsfrist bedürfe es angesichts dessen nicht. Diese Auffassung ist falsch. Das OLG Brandenburg weist zutreffend darauf hin, dass sich die bankenfreundliche Ansicht nicht mit Art. 14 Abs. 1 S. 2 und Art. 10 Abs. 2 lit. r der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG vereinbaren lässt. Danach beginnt nämlich die Widerrufsfrist erst an dem Tag zu laufen, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Art. 10 erhält. Hierzu gehören auch die Informationen zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung sowie zur Art der Berechnung dieser Entschädigung.
Verbrauchern, die ihr Fahrzeug über einen Darlehensvertrag mit der Mercedes-Benz Bank finanziert haben, wird empfohlen, den Darlehensvertrag anwaltlich dahingehend überprüfen zu lassen, ob das Widerrufsrecht wegen der unzureichenden Angaben zur Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung noch immer besteht. Gerne kann diese Überprüfung durch uns erfolgen. Sie ist für Verbraucher kostenlos.